Wertvoller Schutz

Vor vier Jahren stürmten maskierte Bewaffnete in das Munch-Museum in Oslo. Vor den Augen der geschockten Besucher stahlen sie die beiden Meisterwerke „Der Schrei” und „Madonna”. Anschließend musste das Museum fast ein Jahr lang geschlossen bleiben, damit die Sicherheitsmaßnahmen verbessert werden konnten.

“Vor allem für Museen und Galerien sei der Schutz wertvoller Kunstwerke eine schwierige Aufgabe”, meint Ton Cremers, der 15 Jahre lang als Sicherheitsmanager im Reichsmuseum Amsterdam arbeitete. Einerseits müssen die Kunstwerke vor Diebstahl und Vandalismus geschützt werden, andererseits sollen Millionen Besucher einen möglichst freien Zugang zu den Kunstwerken haben.  

„Ein Privatsammler kann seine Kunstwerke natürlich im Tresor aufbewahren. Er prahlt nicht mit seiner Sammlung und lässt keine Fremden in seine Räume”, meint Cremers. „Museen müssen sich genau entgegengesetzt verhalten. Die Sicherheitseinrichtungen in Museen dienen nicht dazu, die Türen sicher zu verschließen; sie sollen im Gegenteil dafür sorgen, dass die Türen für Besucher offen stehen und die Kunstwerke trotzdem geschützt sind.”  

Gefahr von oben
Da sich die Hälfte aller Diebstähle in den oberen Stockwerken ereignet und Diebe auch über das Dach einbrechen, müssen Alarmanlagen an der Außenwand des Gebäudes, an den Fenstern und Türen sowie auf allen Stockwerken installiert werden. „Bewegungssensoren in Gebäuden reichten als Sicherheitsmaßnahme nicht aus“, meint Cremers.  

„Wenn die Außenumgebung es zulässt, sollte das Sicherheitssystem die Eindringlinge schon erkennen, während sie sich dem Gebäude nähern. Geeignet sind Kameras mit eingebauter Bewegungserkennung sowie Infrarotsensoren und Lasersysteme, die den Außenbereich kontinuierlich überwachen.”  

Allerdings sind diese Systeme wartungsintensiv. Die Kameras müssen regelmäßig gereinigt werden, damit es nicht zu Fehlalarmen kommt.  

Viele Galerien befinden sich in historischen Gebäuden, was weitere Probleme für die Sicherheit mit sich bringt. Wenn die Gebäudearchitektur den Einbau von Hightech-Sicherheitstechnik nicht zulässt, muss einbruchhemmende Sicherheitstechnik im Gebäude installiert werden. „Das erfordert viel Kreativität und maßgeschneiderte Lösungen”, weiß Cremers.  

Art und Ort der Präsentation der einzelnen Kunstwerke im Museum sind bei der Sicherheitsplanung zu berücksichtigen. Die wertvollsten Objekte sollten nie in der Nähe des Außenbereichs präsentiert werden, wie das Kunsthistorische Museum in Wien vor einigen Jahren auf schmerzliche Weise erfahren musste, als das berühmte Cellini-Salzfass gestohlen wurde. Der Diebstahl der Tischskulptur mit einem geschätzten Wert von 30 Millionen Euro dauerte nur 58 Sekunden. Damals fanden Bauarbeiten am Museum statt und um das Gebäude war ein Gerüst errichtet worden. Der Dieb kletterte auf das Gerüst, schlug ein Fenster ein, brach die Glasvitrine auf und nahm sich die Skulptur.

„Die Fenster waren durch eine Alarmanlage geschützt, aber keine Sicherheitsfirma kann schnell genug reagieren, wenn der Diebstahl schon nach einer Minute vorbei ist”, erklärt Cremers.  

Redundanzen
„Der Einbruch“, fügt Cremers hinzu, „weist auf einen Kardinalfehler vieler Museen hin, die sich fast vollständig auf elektronische Alarmanlagen verlassen“.  

„Diese Anlagen sind nutzlos, wenn sie nicht in andere, strukturelle und organisatorische Maßnahmen eingebunden sind. Sicherheitsmaßnahmen müssen immer redundant sein, damit auch beim Ausfall einer Maßnahme die Sicherheit gewährleistet bleibt.”  

„Auch die Sicherheit während der Öffnungszeiten erfordere Redundanzen“, so Cremers. „Einbruchhemmende Glasvitrinen und sichere Aufhängungen für Gemälde müssen durch elektronische Alarmanlagen unterstützt werden. Das Gleiche gilt natürlich auch umgekehrt.”  

Cremers glaubt, dass Redundanz und integrierte Lösungen die Eckpfeiler für die Museumssicherheit sind. Zuerst müsse die Sicherheit im Museum anhand einer umfassenden Checkliste bewertet werden. Wichtige Aspekte: das Wachpersonal, die Besuchsregelungen und Eingangskontrollen, die Reaktionsfähigkeit im Alarmfall, die Anordnung der Ausstellungsstücke und die Wege im Gebäude. Die Besucherströme sollten auf genau festgelegten Routen durch die Ausstellung verlaufen. Die Wege sind so zu planen, dass ein optimaler Kunstgenuss möglich, aber eine schnelle Flucht unmöglich ist.  

Zusätzlich muss die Sicherheitslösung auch die strukturellen Aspekte einbeziehen: Türen, Schlösser, Zäune, Gitter, einbruchhemmendes Glas und Bildaufhängungen. Ergänzt werden diese Sicherheitsmaßnahmen durch Bewegungssensoren, Infrarotsysteme, akustischen Alarm, Überwachungskameras und RFID-Lösungen an oder in den Kunstwerken, so dass gestohlene Objekte lokalisiert werden können.  

Insider-Verbrechen
Cremers ist überzeugt, dass Überwachungskameras abschreckend auf Einbrecher wirken: „Alle Museen sollten solche Kameras zusammen mit Monitoren an den Eingängen installieren, damit die Besucher und Museumsmitarbeiter beim Betreten und Verlassen des Gebäudes gefilmt werden. Auf den Monitoren, die sich ebenfalls im Eingangsbereich befinden, müssen die Besucher sich selbst sehen können. Das hat einen guten Grund: Viele Diebe und Einbrecher spähen vor dem Einbruch den Tatort aus und wenn sie merken, dass es bereits Videoaufnahmen von ihnen gibt, zögern sie.”  

Nach Statistiken des FBI erfolgten 70 bis 80 Prozent aller später aufgeklärten Diebstähle unter Beteiligung von Insidern, erklärt Cremers und weist damit auf eine oft übersehene Tatsache hin. „In den letzten zehn Jahren habe ich in einigen hundert Museen an Risikoprüfungen teilgenommen und es ist ziemlich erstaunlich, wie selten die Möglichkeit einer Insiderbeteiligung in Erwägung gezogen wurde.”  

Seit einiger Zeit kommt es in Museen und Galerien vermehrt zu bewaffneten Diebstählen, aber Cremers ist überzeugt, dass es dagegen wirksame Maßnahmen gibt. „Sicherheitsschleusen am Eingang, fest vorgegebene Wege im Gebäude, Überwachungskameras, Glasvitrinen und schwere Schutzscheiben für Gemälde können vor der zunehmenden Gewalt schützen”, erklärt er.  

Was ist eigentlich aus den gestohlenen Munch-Gemälden geworden? Beide Bilder konnten 2006 sichergestellt werden. Mittlerweile hat das Museum sicherheitstechnisch aufgerüstet: Röntgenkameras, Metalldetektoren und Sicherheitsschleusen warten nun auf die Besucher.  

„Wir haben die Gemälde fest an der Wand befestigt und durch Sicherheitsglas geschützt. Natürlich gibt es auch Sicherheitspersonal und zusätzliche Sicherheitsmaßnahmen”. bestätigt Jorun Christoffersen, Marketingleiter des Museums gegenüber CNN. „Wir gehen davon aus, dass die Bilder gut geschützt sind und der Öffentlichkeit präsentiert werden können.”

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