Von Funknetzwerken und Zimmermädchen
Unterschiedliche Funkfrequenzen haben unterschiedliche Eigenschaften und wer Steuerzugriffssignale über ein Funknetzwerk senden will, muss dafür eine geeignete Frequenz auswählen. In einem Hotel wird der Betreiber wohl kaum eine Frequenz auswählen, die eine zusätzliche Infrastruktur erforderlich macht. Das Funksignal muss so robust sein, dass es nicht vom Zimmermädchen, das gerade auf dem Gang vorbeiläuft, blockiert wird.
Wer einen Radiosender von der anderen Seite der Welt empfangen will, wird kein UKW-Radio einschalten. Und wer die lokalen Verkehrsstaumeldungen hören will, wird danach nicht auf dem Kurzwellenband suchen. Wir wissen warum: unterschiedliche Funkfrequenzen haben unterschiedliche Eigenschaften. UKW hat nur eine kurze Reichweite, während Kurzwelle eine viel größere Reichweite hat und vor allem auch die gekrümmte Erdoberfläche überwinden kann, da die Strahlung von der Ionosphäre reflektiert wird. Die allgemeine Regel lautet also: je höher die Frequenz, desto kürzer die Reichweite.
Für lokale Sicherheitsanwendungen wird natürlich niemand Signale von Europa nach Australien senden. Aber wir haben uns schon so an Funknetzwerke gewöhnt, dass wir darauf nicht mehr verzichten wollen. So kann es beispielsweise sinnvoll sein, auf dem Flur einen Sender aufzustellen, der Kontakt mit allen Türen auf der Etage hat. Dadurch müssen die einzelnen Türen nicht mehr verkabelt werden, aber es ist trotzdem möglich, die Türen zentral zu öffnen und zu schließen, den Zutritt zu kontrollieren und festzustellen, wer herein- und herausgeht. Der größte Nachteil eines Funknetzwerkes besteht darin, dass die Übertragung öffentlich erfolgt und von jedem empfangen werden kann. Die Sicherheit muss also durch eine angemessene Verschlüsselung gewährleistet werden.
Auswahl der richtigen Frequenz
Aber welche Frequenzen sollten zum Einsatz kommen? Für Michel Noxfeld, F&E-Manager für Plattform-Interkonnektivität bei ASSA ABLOY, hängt die Antwort auf diese Frage vom geplanten Einsatzzweck ab. Momentan werden hauptsächlich das lizenzfreie 2,45-Gigahertz-Band und das lizenzpflichtige 868-MHz-Band (915 MHz in den USA) verwendet. Während das 2,4-GHz-Band praktisch überall zum Einsatz kommt, entscheiden sich Anbieter von Sicherheitslösungen meist für 868 MHz.
Dazu meint Noxfeld: „868 MHz hat den großen Vorteil, dass die Anwendungen nur 0,1 Prozent oder 1 Prozent der Betriebszeit wirklich senden dürfen. Dadurch bleiben immer Kapazitäten für Notrufsignale frei. Aus diesem Grund funken Sicherheitsanwendungen bevorzugt mit 868 MHz.“ Für das 915-MHz-Band gibt es relativ wenig Regeln; lediglich die maximale Sendeleistung wird von Behörden vorgeschrieben.
Anwendungen, die das 2,45-GHz-Band nutzen, können leicht von anderen Funksignalen mit der gleichen Wellenlänge gestört werden. „Wir kennen Hersteller von Alarmanlagen“, meint Noxfeld, „die 2,45 GHz auf keinen Fall verwenden werden, da es zu viele Störsignale von Mikrowellenherden und Überwachungskameras gibt.“ Gerade Überwachungskameras benötigen sehr viel Bandbreite und verstopfen das Frequenzspektrum.
Der Entwicklungsmanager von ASSA ABLOY empfiehlt nicht, Funkschloss-Sicherheitslösungen auf dem 2,45-GHz-Band zu betreiben, wenn die Lösungen mit einem Einbruchsalarm verknüpft werden und damit auch den örtlichen Funkvorschriften genügen müssen. Trotz dieser Einschränkungen, so Noxfeld, würden einige Unternehmen der ASSA ABLOY Gruppe bereits an Anwendungen für diesen Frequenzbereich arbeiten. Einer der Gründe für diese Entwicklung heißt ZigBee.
Vorteile
Das ZigBee-Protokoll wird von mehreren Unternehmen entwickelt, die gemeinsam eine Reihe von Anwendungsentwicklungsprofilen nach IEEE 802.15.4 definieren. ZigBee ist für drahtlose Überwachungs- und Steuersysteme konzipiert und sendet auf den Frequenzbändern 868 MHz (Europa) bzw. 915 MHz (Nord- und Südamerika) sowie 2,45 GHz (weltweit). Der Einsatzschwerpunkt wird bei 2,45 GHz liegen. Die Eignung für ein breites Einsatzspektrum, von Funktastaturen für Spiele bis zur Patientenüberwachung und zu Hochsicherheitsanwendungen, wird gerade geprüft. Seinen größten Vorteil hat ZigBee mit allen anderen offenen Systemen gemeinsam: Unterschiedliche Anwendungen kommunizieren auf einem einheitlichen Standard miteinander und die typischen Fehlerquellen beim Zusammenwirken proprietärer Anwendungen können ausgeschlossen werden. Ein weiterer Vorteil ist die Massenfertigung, da sich standardisierte Komponenten in der Großproduktion günstiger herstellen lassen. Noxfeld ist sich sicher: „Standards bekommen sehr schnell eine eigene Dynamik, auch wenn sie nicht optimal sind.“
Nichts ist perfekt
Neben seinen Stärken hat ZigBee, wie alle anderen Funkprotokolle, auch Schwächen. Da das Protokoll auf einer relativ hohen Frequenz arbeitet, ist die Reichweite begrenzt und muss unter Umständen durch Router erweitert werden. Noxfeld meint: „Für Netzwerke in großen Gebäuden werden ohnehin viele Router benötigt, aber für ein Sicherheitssystem wird der Anwender in der Regel eigene Router verwenden wollen, damit sich nicht unbefugte Nutzer kostenlos in das System einklinken können.“ Da die Sendefrequenz vom menschlichen Körper gut absorbiert wird, besteht die Gefahr, dass Signale auf dem Übertragungsweg verloren gehen. Noxfeld erzählt von einem großen Hotel in Las Vegas, in dem die Gäste die Hotelzimmer mit Schlüsselkarten öffnen. Es kann durchaus vorkommen, dass 300 Gäste pro Tag in ein anderes Hotelzimmer umziehen wollen. Dabei muss jedesmal ein Funksignal zur Codeänderung an das Türschloss gesendet werden, damit die neue Schlüsselkarte akzeptiert wird. Falls während einer solchen Übertragung eine Person durch den Übertragungsweg läuft, kann das Signal blockiert werden. Das Problem lässt sich nur durch redundante Router lösen, die mehrere Alternativpfade bereithalten. Noxfeld befürchtet, dass in der Praxis die Gefahr besteht, dass der Hotelbetreiber mehrere ZigBee-Funksysteme mit eigenen Routern parallel installieren muss. „Wenn es in einem Gebäude mehrere private Netzwerke mit proprietären Routern gibt, besteht das Risiko, dass die Signale nicht mehr zuverlässig im gesamten Gebäude übertragen werden können. Wollen wir das wirklich?“ fragt der Entwicklungsmanager von ASSA ABLOY rhetorisch.
Ein weiteres Problem ist das unkontrollierte Funkdatenaufkommen. Die Frequenzbänder 2,45 GHz und 915 MHz haben gegenüber 868 MHz den Vorteil, dass nicht nur 3, sondern 16 Kanäle bereitstehen. Dadurch hat das Signal bei blockierten Übertragungswegen eine bessere Chance, auf einem anderen Übertragungskanal zum Ziel zu gelangen. Die mögliche Überlastung von Funkkanälen ist ein weiteres Problem. Die Frequenzbänder 868 bzw. 915 MHz werden gern für Sicherheitsanwendungen verwendet, weil das alte Frequenzband 433 MHz häufig überlastet ist. Noxfeld steht der weiteren Entwicklung aufgeschlossen gegenüber. „Auf 2,45 GHz hat sich ZigBee als robustes Netzwerk bewährt,“ meint er, „aber meine persönliche Meinung ist nicht ausschlaggebend. Die Frage ist, zu welchen Schlüssen die Industrie und der Gesetzgeber kommen.“
Letzterer ist mit der Situation nicht immer zufrieden. Ein norwegisches Unternehmen der ASSA ABLOY Gruppe, das Funksensoren für Fenster herstellt, wollte ZigBee auf 2,45 GHz einsetzen, da sich die Chips relativ kostengünstig anfertigen lassen. Die zuständige Behörde hat jedoch die Genehmigung verweigert.
Zu lösende Probleme
Für Noxfeld ist klar, dass die Frequenz nicht das einzige Problem ist, genauso wichtig wären Aspekte wie Software und Batterielaufzeiten. Und in dieser Hinsicht sind viele 868/915-MHz-Lösungen bis zu 18 Monate in der Entwicklung voraus. Bei der Betriebsdauer hat ZigBee eindeutige Vorteile, da das Protokoll auf einen stromsparenden Betrieb ausgelegt ist und Geräte mehrere Jahre mit einer AA-Batterie betrieben werden können.
Noxfeld meint, dass sich in einem 2,45-GHz-Funknetz, in dem viele Router zum Einsatz kommen, die Effizienz dadurch steigern lässt, dass die Knoten als Router fungieren. Die ZigBee-Knoten sind jedoch für einen sehr niedrigen Stromverbrauch ausgelegt, d.h. sie bleiben die meiste Zeit inaktiv, während ein Router im Dauerbetrieb arbeiten und daher aus dem öffentlichen Stromnetz gespeist werden muss. „Batteriegespeiste Router sind noch eine Zukunftsvision“, bedauert Noxfeld.
ZigBee hat heute ungefähr den Stand erreicht, den Bluetooth vor fünf Jahren hatte. Der Bluetooth-Hype wurde den realen Möglichkeiten lange Zeit nicht gerecht und in der Anfangszeit sah es fast so aus, als würde Bluetooth nie aus dem Labor herauskommen. Auch ZigBee wird noch einige Zeit brauchen, aber die auftretenden Probleme dieses neuen Protokolls werden rechtzeitig gelöst werden. ASSA ABLOY hat eine aktive Rolle bei dieser Entwicklung übernommen.
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