NFC wird erwachsen
Die Near Field Communication (NFC) könnte schon bald Teil unseres Lebens werden, auch wenn Geräte und Anwendungen für den neuen Nahbereichsfunk bislang noch Mangelware sind. Peter Preuss, der Vorsitzende des Marketingausschusses des NFC-Forums, kann auf weltweit einhundert NFC-Projekte verweisen und fast jede Woche kommt ein weiteres dazu.
Die meisten dieser Projekte sind noch in der Pilotphase, aber, so Preuss, „NFC ist eine noch junge Technologie. Selbst Bluetooth hat mehrere Jahre bis zur Durchsetzung gebraucht.“
NFC ist ein Standard für die Funkübertragung von Daten über sehr kurze Entfernungen. Der Standard basiert auf den gleichen Protokollen wie RFID-Chips, kann also die vorhandene Infrastruktur nutzen. NFC kombiniert die von RFID bekannten Lese- und Smartcard-Funktionen und erlaubt so eine echte Zweiwegekommunikation.
Neue Welten
Da NFC-Übertragungen verschlüsselt werden können, sind sichere Bezahltransaktionen möglich, zum Beispiel Ticketverkäufe und Bankgeschäfte mit dem Handy. So gibt es in vielen indischen Dörfern ein Mobiltelefon, auf dem die Bankdaten aller Dorfbewohner gespeichert sind. Die Identifizierung erfolgt mit NFC-Smartcards. Auf diese Weise können Banken mobile Filialen für gerade einmal 500 Euro einrichten und ihre Leistungen auch in Gegenden anbieten, die bislang keinen Zugang zum Banksystem haben.
In der finnischen Stadt Oulu wird NFC zunehmend zu einem Teil des Alltagslebens. Senioren freuen sich über das Pilotprojekt „Meals-on-Wheels“:
Auf einer NFC-Speisekarte tippen sie mit ihrem Handy auf das gewünschte Menü und bestellen es dadurch automatisch. Das Handy sendet die Bestellung an die Catering-Firma, der Rentner nimmt das Essen in Empfang und bestätigt den Erhalt – natürlich ebenfalls per Tippen mit dem Handy.
Projektmanagerin Outi Rouru-Kuivala erläutert, dass sich für eine Behörde „der Einsatz einer neuen Technologie lohnen muss: Durch Einsparungen, durch eine bessere Verfügbarkeit oder durch leichteren Zugang.“ Alle drei träfen auf Meals-on-Wheels zu. Allerdings gab es einige Anlaufschwierigkeiten. Den Projektbetreibern fiel erst relativ spät auf, dass die Handy-Displays für die Senioren viel zu klein waren. Aber sie hätten sich die Technologie schnell angeeignet und „auch psychologisch ist das Projekt eine gute Sache für sie.“
Oulu führt weitere NFC-Pilotprojekte durch: Die Anwesenheitskontrolle in der Schule und der Ticketverkauf für öffentliche Einrichtungen und Parkplätze erfolgen per NFC. Ein Pilotprojekt mit dem mobilen technischen Dienst der Stadt zeigte, dass durch NFC die Arbeit effizienter und flexibler werden konnte.
Rouru-Kuivala ist aufgefallen, dass die Konzentration von Pilotprojekten in Oulu auch zu einer Konzentration der technischen Fähigkeiten geführt hat. „Es gehört einfach zu unserer Wirtschaftspolitik, das Knowhow in diese Gegend zu holen“, erklärt sie. Auch die örtlichen Unternehmen haben NFC-fähige Produkte und Services entwickelt.
Alle Pilotprojekte werden geprüft, überarbeitet und in längerfristige Projekte umgewandelt. Die Stadt übernimmt die Hälfte der Kosten und will einen dauerhaften Nutzen sehen, aber „das ist erst möglich, wenn noch mehr Leute Handys verwenden.“
NFC-Aufkleber
Die meisten Handyhersteller haben nur wenige NFC-Geräte im Angebot. Diese Lücke wird teilweise durch sogenannte NFC-Aufkleber geschlossen, Etiketten, die auf die Rückseite geklebt werden, aber faktisch kaum mehr sind als berührungslose Smartcards. Und, so Peter Preuss: Nicht alle NFC-Aufkleber würden wirklich die NFC-Protokolle einhalten. Es gibt jedoch einen Aufkleber, hergestellt von der Firma Twinlynx, mit echten NFC-Funktionen, da der Datenaustausch mit dem Handy über Bluetooth erfolgt.
Die Aufkleber haben sich für Kundenbindungsprogramme bewährt. Statt vieler Payback-Karten haben die Kunden jetzt einen einzigen Aufkleber. Viele Verbraucher hatten keine Lust, noch mehr Anträge auszufüllen, um noch mehr Karten zu bekommen. Also hat der asiatische Zahlungsexperte Aneace Haddad einen Aufkleber für Kundenbindungsprogramme erfunden. Der Sticker mit dem Namen Taggo kann mehrere Kundenbindungsprogramme verwalten. „Stellen Sie sich vor, Sie stehen an der Kasse an und sehen ein interessantes Rabattangebot. Also schicken Sie einfach eine SMS an Taggo und schon ist Ihr Aufkleber auf dem neuesten Stand.“
Händler profitieren davon, dass die Barrieren für Kundenbindungsprogramme wegfallen – der Kunde muss keine Anträge ausfüllen und im Portemonnaie drängeln sich weniger Karten. Ein weiterer Vorteil: Der Händler muss sich nicht um die Verwaltung der Kundendaten kümmern.
Haddad weiß, dass sich NFC früher oder später in den Handys durchsetzen wird. Dennoch ist er mit dem Aufkleber zufrieden: „Für die Verbraucher ist das Geschäftsmodell transparent, aber den Mobilfunkbetreibern gefällt es nicht, denn sie sind gewinnorientiert. Die Hersteller der Aufkleber verlangen keine Umsatzbeteiligung, was sich von den Netzbetreibern nicht unbedingt sagen lässt. Ich schaue mir das Ganze in Ruhe an.“
Handys können mehr
Jonathan Collins, NFC-Experte von ABI Research, hat beobachtet, dass die Popularität von Kundenbindungsprogrammen immer mehr Einzelhändler veranlasst, sich Kartenlesegeräte anzuschaffen. Bis sich NFC-Handys durchgesetzt haben, übernehmen Aufkleber diese Aufgabe. „Aufkleber und berührungslose Karten schaffen neue Nachfrage“, sagt er. Die eigentlichen Vorteile der NFC-Technologie kommen aber erst mit Mobiltelefonen zum Tragen, denn Handys haben ein Display und sind netzwerkfähig.
Es überrascht Collins überhaupt nicht, dass sich die Handyhersteller so zögernd verhalten. „Telefonhersteller müssen die Wünsche ihrer Kunden erfüllen und ihre größten Kunden sind nun mal die Netzbetreiber“, erklärt er. „Sobald sich aber die Betreiber für NFC interessieren, wird es auch ausreichend NFC-Handys geben.“
Das Geschäftsmodell ist allerdings noch unklar. Wer wird an der neuen Technologie verdienen? Collins glaubt, dass die Betreiber nicht an Einzelfallzahlungen interessiert sind, sondern eher auf Hosting- und Managementservices setzen. Für die Finanzbranche liegen die Vorteile in Einsparungen bei der Infrastruktur und in der vereinfachten Abwicklung, denn Barzahlungen können durch elektronische Zahlungen ersetzt werden.
Die interessierten Parteien kommen also, so Preuss, aus unterschiedlichen Welten und haben sich noch nicht an einen Tisch gesetzt. Umso wichtiger seien die aktuellen Gespräche über offene Standards, die das NFC-Forum (das die Kommunikationsbranche vertritt) mit dem Mobey-Forum (das sich auf mobile Finanztransaktionen spezialisiert hat) führt.
Lange wird es jedoch nicht mehr dauern, bis die Probleme gelöst sind und sich NFC auf breiter Basis durchsetzt. Preuss ist aufgefallen, dass NFC zunehmend an Schwung gewinnt. Er glaubt an einen ungebrochenen Wachstumstrend. Wenn sich die Netzbetreiber ernsthaft für NFC engagieren, sei es nur noch „eine Frage von drei oder vier Jahren”, bis die Absatzzahlen der NCF-Handys von derzeit einigen Millionen pro Jahr auf mehrere hundert Millionen pro Jahr steigen. Der Experte ist überzeugt: Sobald NFC zu einem Massenmarkt geworden ist, wird es viele neue Anwendungen mit bislang unbekannten Funktionen geben – so wie heute schon für das iPhone.