Mehr Sicherheit für Arzneimittel

Arzneimittel werden gefälscht, gestohlen und illegal verkauft. Je höher die Preise für verschreibungspflichtige Medikamente steigen, desto mehr wird auch die Medikamentensicherheit zu einem Thema. Hersteller und Apotheken müssen den Weg der Produkte von der Fabrik bis zum Patienten lückenlos überwachen, um wirtschaftliche Einbußen zu verhindern. RFID-Funkchips versprechen eine effektive Lösung des Problems.

Momentan ist die zuverlässige Produktauthentifizierung eines der größten Probleme im Pharmasektor. Die Gewinnspanne der Produkte ist meist hoch – hoch genug, um auch für Kriminelle interessant zu sein. Viele gefälschte Medikamente werden zu einem Bruchteil des regulären Preises in China hergestellt.

Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation WHO stammen bis zu 50 Prozent aller im Internet verkauften Medikamente nicht von den Originalherstellern und die US-amerikanische Arzneimittelaufsicht FDA geht davon aus, dass es sich bei über 10 Prozent aller weltweit verkauften Medikamente um Fälschungen handelt. Das entspricht einer Summe von rund 40 Milliarden Dollar.

Ein anderes Problem sind die oftmals von Land zu Land unterschiedlichen Abgabepreise. Wer Medikamente billig in Kanada einkauft und teuer in den USA verkauft, kann einen hübschen Gewinn einstreichen.

Die Pharmafirmen sehen das natürlich gar nicht gern. Marc Schnippering, Vertriebsleiter bei Sokymat ITG, weist darauf hin, dass die FDA alle Hersteller von Pharmaprodukten verpflichtet hat, ab Januar ihre Erzeugnisse mit einem Identifizierungscode zu versehen.

Die US-Behörde schlägt den Einsatz von RFID-Funkchips zur Produktidentifizierung vor. Zwar müssen noch einige Probleme gelöst werden, aber schon jetzt ist abzusehen, dass durch die kleinen Chips bald die gesamte pharmazeutische Industrie in den USA sicherer wird. Den Herstellern, Krankenhäusern und auch den Patienten bieten sich viele neue Möglichkeiten. 

Schlaue Apothekerschränke
Eine industrieweit einheitliche RFID-Lösung eignet sich nicht nur zur Bekämpfung von Diebstahl und Fälschung, sondern bringt den Unternehmen und Patienten eine Reihe weiterer Vorteile.

Durch das verbesserte Tracking können Apotheker abgelaufene Medikamente leichter finden und die Rückgabe an den Hersteller effizienter abwickeln, da sich für jede Charge sofort der Hersteller und Großvertrieb ermitteln lässt.

Die RFID-Tags können auch Krankenhaus-Apotheken die automatische Ausgabe von Medikamenten erleichtern und das Personal von arbeitsintensiven Aufgaben entbinden.

Patienten werden die Möglichkeit haben, die Informationen auf den RFID-Etiketten auszulesen und die zugehörigen medizinischen Daten aus dem Internet herunterzuladen. Auch eine automatische Erinnerung zur rechtzeitigen Einnahme von Medikamenten ist möglich.

Ein deutlicher Sicherheitsgewinn
Im letzten Jahr veranstaltete die Consulting-Firma Accenture zusammen mit Pharmaunternehmen wie Abbot Laboratories, Cardinal Health, Pfizer, Rite Aid und CVS das so genannte Jumpstart-Programm. In einem achtwöchigen Experiment wurden rund 13500 Arzneimittelflaschen mit RFID-Etiketten versehen und komplett auf ihrem Weg vom Hersteller bis zur Apotheke überwacht.

Der Versuch war erfolgreich und die FDA gab im Herbst dieses Jahres bekannt, dass alle Pharmaproduzenten ab Januar 2007 die gesamte Logistikkette bis zum Verkaufspunkt dokumentieren müssen. Für die Umsetzung dieser Vorschrift wird die RFID-Technik zwar nicht unbedingt benötigt, aber die FDA empfiehlt ihren Einsatz. Die Realisierung erfolgt in Schritten und beginnt bei den Arzneimitteln mit dem höchsten Risiko. Pfizer hat sich bereits auf den Einsatz von RFID-Etiketten beim Potenzmittel Viagra festgelegt. Viagra ist teuer – eine Flasche mit 100 Tabletten kostet rund 300 Dollar – und damit ein lohnendes Ziel für Diebe und Produktfälscher.

Besser als Barcodes
Ein einfaches RFID-Etikett („Transponder“) ist nichts weiter als ein Elektronik-Chip in Briefmarkengröße, auf dem nur wenige Daten gespeichert sind. Wird der Chip an eine Antenne angeschlossen, lässt er sich aus einer Entfernung von einigen Dutzend Zentimetern auslesen.

Größere RFID-Transponder mit eigener Stromversorgung können stärkere Signale senden und aus weit größeren Entfernungen ausgelesen werden.

RFID-Etiketten haben entscheidende Vorteile gegenüber Barcodes. Da die Strichcodes nur bei direkter Sichtverbindung zum Lesegerät ausgelesen werden können, muss die Datenabfrage meist von Hand erfolgen. Eine Palette mit Flaschen, von denen jede ihren eigenen RFID-Chip hat, kann dagegen an einem Lesegerät vorbeigefahren und in Echtzeit ausgelesen werden. Da sich RFID-Etiketten nicht so einfach wie Barcodes herstellen lassen, ist auch eine Fälschung entsprechend schwieriger. RFID-Etiketten speichern mehr Informationen als Barcodes; einige Ausführungen erlauben auch das Aktualisieren und Ändern der gespeicherten Daten.

Zwei wichtige Einschränkungen der RFID-Technik sollen nicht verschwiegen werden. Erstens liegen die Herstellungskosten eines typischen RFID-Etiketts bei rund 30 Cent. Durch eine Massenproduktion können sie jedoch schnell auf unter 20 Cent gesenkt werden.  Zweitens gibt es noch keinen weltweiten Standard für RFIDs, wie es ihn mit UPC für Barcodes längst gibt.

Für die Pharmafirmen wird das aber kein echter Hindernisgrund sein.

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