Koreas digitale Revolution

„Beim dritten Ton ist es 16.10 Uhr und 10 Sekunden. Piep, Piep, Piep. Beim dritten Ton . . .“ Dies ist in Großbritannien seit Jahren unter dem Begriff „Speaking Clock“ (sprechende Uhr) bekannt; nun kann man dort auch ein „Speaking Lock“, ein sprechendes Schloss, kaufen. Gemeint ist das GATEMAN Silky II, das von iRevo, dem südkoreanischen Tochterunternehmen von ASSA ABLOY, angeboten wird und beispielhaft für die Fülle neuer Ideen in der Welt der digitalen Schlösser ist.

Ronny Belin, der als Business Development Manager für digitale Schließlösungen in Europa, dem Mittleren Osten und Afrika verantwortlich ist, sieht die Sprache als praktisches Funktionsmerkmal, um den Benutzer durch die Einstellungen zu leiten: „Wollen Sie beispielsweise einer weiteren Person Zugangsrechte erteilen, drücken Sie die 1. Weitere Konversation ist nicht erforderlich. Wie bei einer Kundendienst-Hotline geht das Schloss Schritt für Schritt durch das Menü, und Sie drücken einfach die gewünschten Tasten.“  

„Das ist viel leichter, als eine Bedienungsanleitung zu wälzen oder sich durch die Menüs auf Minidisplays zu quälen“, weiß Belin. „Und es ist viel menschlicher als ein Piepton.“ Die sprachfähige Instruktion kann auch mit besonderen Situationen umgehen: Wenn Sie die Tastatur sperren, bevor Sie zu Bett gehen und sich nachts jemand an der Tür zu schaffen macht, teilt ihm das Schloss lapidar mit: „Die Tastatur ist gesperrt.“  

Es könnte natürlich auch brüllen „Gehen Sie weg! Aber sofort!“, wenn Sie unliebsame Gäste abschrecken wollen.  

„Cool“ auf Koreanisch
Wie wäre es, überlegt Belin, wenn Julia Roberts oder George Clooney dem Schloss ihre Stimme leihen: „Das wäre für viele sicher ein überzeugender Grund, sich so ein Lifestyle-Schloss zu kaufen”, spekuliert er.  

Als die Kommunikationsforscherin Eun-Mee Kim von dem sprechenden Schloss hörte, war ihre spontane Reaktion: „Wow, das klingt cool!“  

Damit beantwortete die Professorin für Kommunikationswissenschaft an der Yonsei-Universität in Seoul bereits die Frage, warum gerade die Koreaner so in die Digitaltechnik vernarrt sind. Im Bereich der Wohnungsschlösser halten sie wohl den Weltrekord, denn hier ist jedes zweite Schloss digital. Professorin Kim hat selbst eins.  

Die Expertin kann auch mit differenzierteren Antworten aufwarten: „In Südkorea steht alles Digitale für einen fortschrittlichen Lebensstil. Wir sind stolz auf unsere lange Geschichte, aber alles Neue hat bei uns einen sehr hohen Stellenwert.“

Regelbrecher
Kim hält es für möglich, dass die Begeisterung für die Digitaltechnik eine Folge der öffentlichen Förderung des Internet und des Mobiltelefons ist. Als Beispiel führt sie an, das Handy habe das Bedürfnis junger Menschen bedient, die hierarchischen Strukturen des Konfuzianismus aufzubrechen, die jedem einen festen Platz zuweisen. „Das Funktelefon hat diese Regeln außer Kraft gesetzt“, erläutert sie.

Die Regierung hat sich für das Internet stark gemacht. Selbst entlegene Landesteile wurden mit Breitbandanschlüssen versorgt und alle Bürger zur Nutzung des Mediums ermuntert. „Der selbstverständliche Umgang mit moderner Informationstechnologie hat sicherlich dazu beigetragen, dass wir moderne Kommunikationstechnik schätzen und nicht mehr darauf verzichten wollen“, so Kim.

Für die Beliebtheit digitaler Schlösser gebe es allerdings spezielle Gründe. „Viele Mütter gehen arbeiten und nehmen deshalb Haushaltshilfen und Kinderbetreuerinnen in Anspruch. Die Übermittlung einer PIN ist viel einfacher als die Übergabe eines Schlüssels. Oder die Großeltern kommen mal eben vorbei, um ein kleines Geschenk für ihr Enkelkind abzugeben. Mit einem Code ist das gar kein Problem.“  

Bild-Gedächtnis
Drei Studenten der Hongik-Universität in Seoul haben auf der diesjährigen CeBIT am Stand des „Industrie Forum Design“ ein intelligentes Konzept präsentiert, das für Großeltern und von der Schule heimkehrende Kinder interessant sein dürfte.  

Die Studenten erfanden den „Storykeeper“ – ein System, bei dem man sich nicht eine PIN einprägen, sondern eine Geschichte wiedergeben muss. Dies erfolgt über die Tastatur, auf der sich Symbole anstelle von Zahlen befinden.  

„Als Symbole verwenden wir Gegenstände, die uns ständig begegnen“, so Min Su Kim, einer der Erfinder. „Beim Einrichten des Schlosses können Sie die Symbole wählen, die angezeigt werden.“  

Die auf der CeBIT als Beispiel verwendete Geschichte lautet: „Zuhause bin ich sehr froh, weil meine liebe Mama mir einen leckeren Donut gemacht hat.“ Jedes der hier kursiv gedruckten Wörter erscheint als Symbol.  

Inzwischen nutzt auch ASSA ABLOY die Erfahrung von iRevo bei digitalen Schlössern und bringt Ende des Jahres unter dem Markennamen „Yale“ ein Modell auf den Markt. Angesichts der hohen Verbreitung von digitalen Schlössern in Korea sind die dortigen Hersteller besonders aktiv in marktbezogener Forschung und Entwicklung.

Der Erfolg der Schlösser von iRevo beruht zum Teil auf ihrer Signalwirkung: Schon an seiner Haustür zeigt der Besitzer, dass er auf dem aktuellen technischen Stand ist. Eun-Mee Kim hält dies nicht für ein Motiv. „Ich glaube nicht, dass der Konsument irgendetwas zeigen will“, sagt sie. „Die Leute fühlen sich und ihr Zuhause durch digitale Schlösser einfach besser geschützt.“

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