Biometrisches Banking
Die meisten Menschen glauben, neue Technologien würden sich zuerst in modernen Großstädten durchsetzen. Aber auch auf dem Land wird mobile und drahtlose Minitechnik eingesetzt. In Gegenden, in denen es an Infrastruktur mangelt, kann moderne Technik viele Probleme lösen und zur Modernisierung und Transformation der gesamten Gesellschaft beitragen.
Ein spannendes Beispiel kommt aus dem indischen Bundesstaat Uttar Pradesh, wo eine Bank ihre Bankschalter den Kunden – armen Bauern, oft Analphabeten – praktisch vor die Haustür stellt. Das Projekt wird von der Union Bank durchgeführt; der Finanzdienstleister FINO stellt die Ausrüstung bereit, darunter Smartcards und mobile Lesegeräte zur biometrischen Identifizierung. „Die Biometrietechnik wurde eigentlich nur als Sicherheitstechnik konzipiert, aber zum Glück hat sie sich auch zu einem großartigen Hilfsmittel für die Bankgeschäfte in den Entwicklungsländern entwickelt“, erklärt Ravi Joshi, der bei FINO für die Geschäftsentwicklung zuständig ist.
Mobile Transaktionen
Für typische Bank- und Kreditgeschäfte haben sich Karten mit Magnetstreifen und Unterschrift durchgesetzt, aber in den ländlichen Gegenden Indiens eignen sich die Karten aus vielen Gründen nicht. Joshi erklärt: „Geld- und Kreditkarten sind keine gute Lösung für arme Bauern, die nicht lesen können.“ Biometrische Lösungen, bei denen eine Autorisierung per Fingerabdruck erfolgt, sind nicht nur besser geeignet, sondern auch sicherer. Sie ermöglichen breiten Bevölkerungsschichten eine Teilnahme am modernen Bankwesen.
Die Lösung, die von der Union Bank und FINO entwickelt wurde, basiert auf Java-Smartcards mit einer Speicherkapazität von 32 KB. Auf den Karten werden Name, Geburtsdatum, Adresse, ein Foto und vier Fingerabdrücke des Inhabers sowie die Namen der Familienmitglieder gespeichert. Der Kartenspeicher reicht für 15 Konten und 10 Transaktionen pro Konto.
Für das Auslesen der Karten gibt es eine Reihe von Geräten, darunter mobile Terminals mit Thermodrucker, Display, integriertem Speicher, Kartenleser, Fingerabdruckscanner und Reservebatterie. Mit diesen Geräten können die Mitarbeiter der Bank direkt zu den Kunden gehen und anschließend die gespeicherten Transaktionen über ein normales Telefon an die Zentrale übermitteln. Für das Offline-Banking hat sich in Indien die Bezeichnung „Bank-on-the-field“ eingebürgert.
Kundendaten eintragen
Das Projekt, das in diesem Jahr im Bezirk Chandauli (Uttar Pradesh) begann, besteht aus drei Stufen. In der ersten Stufe trugen Bankmitarbeiter die Kundendaten in das IT-System ein und nahmen bei dieser Gelegenheit auch die Fingerabdrücke der Kunden. In der zweiten Stufe wurden die einzelnen Projektkomponenten aufeinander abgestimmt: Die Kunden erhalten die Kontonummern, die Smartcards werden angefertigt und die mobilen Terminals vorbereitet. In der letzten Stufe beginnt der praktische Einsatz des Systems. Kunden und Kundendienstler werden in das System eingewiesen und zur Nutzung ermutigt.
Da das zentrale Banksystem der Union Bank gut eingeführt ist und eine Vielzahl unterschiedlicher Kundenbeziehungen mit unterschiedlichen Produkten unterstützt, kam es vor allem darauf an, die Anwender mit der neuen Technologie vertraut zu machen. Für Joshi waren „die Außendienstschulungen und die Logistik für das Eintragen der Kunden“ die schwierigsten Aufgaben in der Startphase. Alle Aufgaben wurden erfolgreich bewältigt. Bis Mai 2007 konnte die Bank bereits 5000 Smartcards an ihre Kunden ausgeben.
Eigenverantwortung durch Technologie
Das Pilotprojekt, aber auch ähnliche Projekte der Andhra Bank und weiterer Banken, ist Teil einer Revolution im Bankwesen, die sich gerade in Indien vollzieht. Vor allem die indische Zentralbank fördert elektronische Bankgeschäfte in allen Teilen des Landes. Sie geht davon aus, dass sich die Anzahl der elektronischen Transaktionen in den nächsten drei Jahren auf mindestens 700 Millionen pro Jahr verdoppelt.
Das mobile Banking wird beträchtliche Auswirkungen auf das Leben der Kunden haben, die ihre Bankgeschäfte jetzt deutlich leichter und sicherer erledigen können. „Der Zugang zu kostengünstigen Finanzdienstleistungen, vor allem zu Kredit- und Versicherungsverträgen, verbessert die Lebensgrundlage und gibt den Armen mehr Möglichkeiten, über ihr Leben selbst zu bestimmen“, ergänzt Joshi. „Diese Eigenverantwortung führt zu mehr sozialer und politischer Stabilität.“
Durch das Einbeziehen armer Bauern in das moderne Bankwesen wird ihre Beteiligung am Wirtschaftswachstum gefördert, das momentan in ganz Indien zu spüren ist. Gleichzeitig wird das Wachstum auf eine nachhaltige und gerechtere Grundlage gestellt. Und dazu ist nicht viel mehr erforderlich als ein Fingerabdruck.
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