Biometrie im Wohnzimmer

Kinect, die Xbox-Steuerung mit Gesichtserkennung und Infrarotsensoren, macht das Einloggen bei Videospielen zu einem ganz neuen Erlebnis. Die neue Spielsteuerung könnte zu einem Katalysator für den Einsatz von Biometrie im privaten Bereich werden.

Dank Kinect begrüßt die Xbox den Spieler jetzt mit seinem Namen – nicht, weil er seinen Benutzernamen und das Passwort eingegeben hat, sondern weil er von der Steuerung erkannt wird, sobald er vor den Fernseher tritt.

Kinect, die drahtlose Fernsteuerung für die Xbox von Microsoft, hat eine integrierte Kamera, einen Infrarot-Tiefensensor und mehrere Mikrofone. Das Gerät erkennt die Bewegungen des Spielers und überträgt sie in Echtzeit in das Spielgeschehen. Microsoft hat schon über 2,5 Millionen Exemplare verkauft.

Kinect ist aber mehr als nur ein Spielzeug. Durch seine Identifizierungsfunktionen hat es die biometrische Erkennung in Millionen Haushalte auf der ganzen Welt gebracht.

Die eingebaute Kamera und der Infrarotsensor erkennen Körper und Gesicht von Personen und durch die Gesichtserkennung ist ein automatisches Einloggen bei Xbox Live möglich, denn das Gerät kann mehrere Personen pro Haushalt unterscheiden.

Die biometrische Identifizierung ist ein neuer Trend bei Videospielen, weiß David Myers, Professor an der School of Mass Communication der Loyola-Universität in New Orleans und Autor des Buchs The Nature of Computer Games.

Myers kennt keine andere Videospielkonsole, die Biometrie nutzt. Das könnte nach seiner Meinung auf mindestens zwei Hindernisse zurückzuführen sein. 

„Viele fühlen sich unwohl bei dem Gedanken an Online-Identifizierung oder Tracking im allgemeinen“, erklärt er. Die Menschen hätten Angst vor „Identitätsdiebstahl“ und würden das Speichern von Cookies auf ihren PCs nicht gern sehen.

„Das zweite Hindernis ist eher ein spielspezifisches Problem: Beim Spielen hat Anonymität einen hohen Stellenwert“, sagt er. 
Einer der ersten, von Myers über Spiele veröffentlichten Artikel hieß „Anonymity is Part of the Magic“ und Myers glaubt, dass auch heute noch viele Spieler Wert auf Anonymität legen.

„Jede Technologie, die Spieler identifiziert und dazu direkt auf deren reale „Persönlichkeit“ zugreift (per Webcam, Biometrie oder DNA-Probe) wird es aus juristischen und ästhetischen Gründen schwer haben, am Markt zu bestehen“, sagt er.

Dennoch konnte sich Kinect nach dem Verkaufsstart in der Weihnachtszeit sehr gut verkaufen und die Absatzzahlen blieben auch in der Folgezeit gut.

Ian Pearson glaubt, dass die Ablehnung gegen die biometrische Identifizierung weniger wahrscheinlich ist, wenn die Einsätze relativ niedrig sind.

Der Zukunftsforscher bei dem Schweizer Unternehmen Futurizon erklärt: „Bei Computerspielen geht es nur um den Ruf des Spielers und der ist nicht so wichtig wie die Zugangsdaten für sein Bankkonto. Schwieriger wird es daher, wenn es nicht um Spiele, sondern um andere Bereiche geht. Ziemlich wahrscheinlich werden Spiele mit anderen Aktivitäten wie Einkaufen konvergieren und dann kommt Geld ins Spiel. Auch bei sozialen Netzwerken sind die Einsätze höher und hier ist es sehr viel wahrscheinlicher, dass die Menschen skeptisch werden.“

Die Einführung von Biometrie in nichtrelevanten Anwendungen und deren häufige Nutzung vor allem durch jüngere Menschen in Umgebungen mit vielfältigen und anreizbasierten Interaktionen können eine Akzeptanz auch in Bereichen schaffen, die früher als immun galten, meint Myers. Die biometrische Nutzung auf unbedrohliche Weise könnte zu einer Desensibilisierung beitragen und andere Anwendungsmöglichkeiten eröffnen.

Der Schlüssel zur Akzeptanz, sagt Dustin Best, besteht darin, Biometrie transparent umzusetzen und die Spielbarkeit zu verbessern.

„Wenn ein breites Publikum mit biometrischen Systemen interagiert, um besser spielen zu können, wird sich die Biometrie vermutlich auch woanders durchsetzen“, meint der Senior Consultant der New Yorker International Biometric Group.

Melanie Ziems spielt Kinect zusammen mit ihrem Freund. Die Studentin aus Houston war zuerst skeptisch, aber das interaktive Spiel machte ihr unerwartet viel Spaß: „Es ist nicht so unheimlich wie ich eigentlich gedacht hatte.“

Irritiert hat sie jedoch, dass das System sie mit ihrem Freund verwechselt, obwohl Größe, Körperform und Hautfarbe der beiden unterschiedlich sind. „Wir sehen nun wirklich nicht gleich aus“, amüsiert sie sich.

Trotz der Identitätsverwechslung wäre sie bereit, künftig auch andere biometrische Anwendungen zu nutzen. Akzeptanz durch Personen wie Melanie Ziems könnte dazu führen, dass sich die Biometrie auch in anderen Bereichen im Haushalt durchsetzt, sagt Best.

„Die Identifizierung von Personen im Haushalt kann die Interaktion mit Unterhaltungselektronik, Temperaturreglern, Lichtanlagen und anderen Systemen verbessern“, sagt er.

Myers glaubt, dass sich die Technologie im akademischen Bereich durchsetzen wird. „Es könnte natürlich viele weitere Anwendungsbereiche geben, zum Beispiel bei der Identitätsprüfung der Teilnehmer von Onlinekursen.“

Für die nähere Zukunft erwartet Pearson aber, dass die biometrische Nutzung in kritischeren Bereichen, etwa dem Onlinebanking, noch etwas dauern wird.

„Sobald Biometrie in sicherheitsrelevanten Bereichen eingesetzt wird, kommt es zu einer unmittelbaren Reaktion“, ist sich Pearson sicher.

Comment

You must be logged in to post a comment.