Bereit für NFC?
Können kontaktlose microSD-Karten die NFC-Telefone ersetzen oder sind sie lediglich eine Übergangstechnologie?
Die Nahbereichskommunikation (Near Field Communication, NFC) wurde für den drahtlosen Informationsaustausch zwischen elektronischen Geräten entwickelt, die aus Sicherheitsgründen nur wenige Zentimeter voneinander entfernt sein dürfen. Wer ein Handy mit NFC-Unterstützung hat, kann mit seinem Telefon kontaktlos bezahlen und Türen öffnen – sofern die entsprechende Infrastruktur auf der Gegenseite vorhanden ist. Bis heute gibt es allerdings nur ein einziges Handy, das diese Funktionen unterstützt: das Nokia 6212.
Da sich NFC-fähige Telefone noch nicht durchgesetzt haben, nehmen konkurrierende Technologien ihren Platz ein. Das gilt vor allem für kontaktlose microSD-Karten. Sie enthalten alle Komponenten, die für die NFC-Kommunikation erforderlich sind: Antenne, NFC-Modem und einen Smartcardchip. Wird eine microSD-Karte in ein Handy gesteckt, kann der Nutzer mit dem Handy kontaktlos zahlen.
Branchenkenner sind sich noch nicht einig, ob microSD-Karten lediglich ein Zwischenschritt zu NFC-Telefonen sind oder ob sie an den NFC-Handys vorbei den Markt für drahtlose Bezahltechnologien erobern werden.
„MicroSD entwickelt sich gerade zu einer Alternative, da bei NFC nur wenig zu passieren scheint“, meint Tim Jefferson, Geschäftsführer der britischen Beratungsfirma The Human Chain. Für ihn ist die Verzögerung bei den NFC-Telefonen „ein typisches Henne-Ei-Problem.“ Ohne Anwendungen oder Bezahlmöglichkeiten für NFC gäbe es auch keine große Nachfrage nach der Technologie. „Auch die Netzbetreiber leiden unter der schwachen Konjunktur und der Umstieg auf andere Telefone bedeutet für sie zusätzliche Kosten.“
Jefferson glaubt daher, dass microSD sich von einer Übergangstechnologie hin zu einem echten Industriestandard entwickeln wird:
„Wir haben fantastische Möglichkeiten und einen bereits etablierten Formfaktor, denn ein Großteil der neuen Handys hat Steckplätze für microSD-Karten.“
Für NFC gibt es weitere Formfaktoren, darunter Sticker, die direkt auf das Handy geklebt werden. Sticker gibt es als Aktivausführungen (mit Stromanschluss) und als Passivausführungen (ohne Stromanschluss).
„Ein Passiv-Sticker ist ungefähr so groß wie ein Schlüsselanhänger und kann Ihre Telefonbücher und Kreditkartendaten speichern“, erklärt Jefferson. Aktivsticker machen sogar eine Kommunikation in beide Richtungen möglich. Das ist nicht immer unproblematisch:
„Die Aktivsticker verwenden das Bluetooth-Protokoll für die Verbindung mit dem Handy. Leider gibt es aber unterschiedliche Bluetooth-Ausführungen und nicht jedes Handy verwendet die gleiche“, erklärt er. Die Verbindung kann also unter Umständen schwer herzustellen sein.
MicroSD-Karten haben einen Vorteil: Nutzer können damit vertrauliche Daten speichern, da auf den Karten Sicherheitsfunktionen integriert sind, erklärt Jefferson. „Der Nutzer kann die Karte auch einfach aus dem Handy ziehen und in ein anderes stecken. Das ist ein entscheidender Wettbewerbsvorteil.“
Peter Preuss glaubt nicht, dass sich microSD-Karten zum Industriestandard mausern und die NFC-Handys aus dem Markt drängen werden. Preuss ist Vorsitzender des Marketing-Ausschusses im NFC-Forum und hochrangiger Manager bei Nokia.
„Es gibt noch Schwierigkeiten, vor allem bei der Antennenleistung und bei der Akkulebensdauer. Die SD-Kartensteckplätze in Handys sind meist von einer Metallabschirmung umgeben. Es wird eine Aktivantenne benötigt, die den Handyakku schnell leersaugen kann, da sie von den Handy-Konstrukteuren nicht ausreichend berücksichtigt wurde“, erklärt er.
Rund 70 Prozent der Handys haben einen Steckplatz für microSD-Karten, aber die restlichen 30 Prozent können mit den Karten nichts anfangen.
NFC-fähige Telefone sind auch deshalb besser geeignet, so Preuss, da die NFC-Protokolle bereits bei der Handykonstruktion berücksichtigt wurden. Deshalb bieten echte NFC-Handys mehr Funktionen als nachträglich aufgerüstete Telefone: „Wenn eine SD-Karte alle NFC-Funktionen nachbilden soll, muss sie direkt in die Software des Telefons integriert sein. Hier ist die Zusammenarbeit mit den Telefonherstellern gefragt. Viele Funktionen – etwas das Senden von Fotos, indem man einfach sein Handy an ein anderes hält, oder die Integration in Bluetooth-Umgebungen oder das Auslesen von NFC-Etiketten – klappen nur richtig, wenn sie tief in der Telefonsoftware verankert sind.“
Als Beispiel für hardwareseitige Komplikationen führt Preuss an, dass es Kommunikationsprobleme geben kann, wenn sich die kontaktlose microSD-Karte direkt unter dem Handyakku befindet.
„MicroSD-Karten sind eine gute Zwischenlösung. Das NFC-Forum glaubt aber, dass sein Zertifizierungsprogramm, das im Herbst fertig sein wird, die Einführung vollintegrierter NFC-Telefone und anderer Geräte für Endanwender beschleunigen wird“, sagt Preuss.
Jefferson glaubt ebenfalls, dass die korrekte Positionierung von microSD-Karten wichtig ist, vor allem, wenn sie eine eingebaute Antenne haben. Momentan würde eine Reihe von Herstellern, die auf microSD-Technologien spezialisiert sind, an dem Problem arbeiten.
Welche Aspekte werden letztlich darüber entscheiden, ob NFC oder microSD als Sieger aus diesem Wettbewerb hervorgeht?
Das Rennen wird knapp ausfallen, aber Jefferson glaubt an die Marktführerschaft von microSD: „Beide Technologien werden ungefähr zur gleichen Zeit auf den Markt kommen, aber viele Menschen haben bereits ein Handy und es kann lange dauern, bis die aktuelle Generation durch neue Geräte ersetzt worden ist. Es ist viel einfacher, Funktionen einfach nachzurüsten.“
Selbst wenn demnächst viele NFC-fähige Geräte auf den Markt kommen werden, bleibt das Timing ein wichtiger Faktor für den Erfolg. Die Nutzer brauchen einige Zeit für den Umstieg auf NFC-Telefone. Wird der Markt so lange warten oder wird sich microSD als vorherrschender Standard durchsetzen?
Diese Frage kann heute niemand mit Sicherheit beantworten.